Bislang bestand das Problem, dass Urkunden (etwa Kauf- oder Schenkungsverträge, Scheidungsvergleiche), auf deren Basis grundbücherliche Einverleibungen vorgenommen wurden, für jedermann gegen Zahlung einer geringen Gebühr im Grundbuch einsehbar waren. Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des darin kritisierten unzureichenden Datenschutzes im Grundbuchsrecht waren Gesetzesänderungen nötig. Der Gesetzgeber hat daher im Sommer 2024 die Grundbuchsnovelle 2024 beschlossen, die neue Bestimmungen zum Thema Datenschutz im Grundbuch enthält.
Ausgangspunkt
Grundbuchseintragungen erfolgen grundsätzlich auf Basis von Urkunden (zB Kaufvertrag, Schenkungsvertrag, behördlicher Bescheid etc). Diese Urkunden wurden früher im Original in der Urkundensammlung des zuständigen Grundbuchsgerichts aufbewahrt. Heutzutage werden sie digital im elektronischen Urkundenarchiv der Justiz hinterlegt. Grundsätzlich kann jedermann sowohl die alten Urkunden (durch physische Einsichtnahme beim Grundbuchsgericht) als auch die neueren elektronisch gespeicherten Urkunden (durch digitale Abfrage des Hauptbuches) gegen eine geringfügige Gebühr abrufen und einsehen. Das gilt etwa auch für einen Scheidungsvergleich, der die Grundlage für eine Einverleibung im Grundbuch ist.
EGMR: Unzureichender Datenschutz im Grundbuch
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 6. April 2021 im Fall Liebscher gegen Österreich (EGMR 5434/17) entschieden, dass Österreich das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt hat. Grund dafür war, dass die Gerichte keine Abwägung zwischen dem Recht auf Datenschutz im Grundbuch und den Interessen der Öffentlichkeit an der Transparenz und Überprüfbarkeit von Grundbuchseintragungen vorgenommen haben, insbesondere hinsichtlich der Veröffentlichung des Scheidungsvergleichs in der Urkundensammlung.
Da das aktuelle Grundbuchsrecht weder eine solche Interessenabwägung noch eine Beschränkung des Einsichtsrechts in die Urkundensammlung vorsieht, konnten die Gerichte diese Abwägung nicht durchführen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat jedoch am 30. März 2022 (8 Ob 3/22g) durch einen Lückenschluss entschieden, dass das Grundbuchsgericht zugunsten des Datenschutzes im Grundbuch eine Teilausfertigung des Scheidungsfolgenvergleichs veröffentlichen kann, um den Schutz persönlicher Daten zu gewährleisten.
Vertragsverfasser berücksichtigen inzwischen Geheimhaltungsinteressen bereits bei der Formulierung der Eintragungsgrundlagen. Dennoch war es an der Zeit, die Entscheidung des EGMR durch eine explizite gesetzliche Regelung umzusetzen.
Grundbuchsnovelle 2024 stellt Datenschutz sicher
Die Änderungen des Grundbuchsumstellungsgesetzes durch die Grundbuchs-Novelle 2024 umfassen folgende zentrale Punkte:
Beschränkung der Einsicht in die Urkundensammlung:
- Personen können beantragen, dass bestimmte persönliche Daten in Urkunden, die in der Urkundensammlung gespeichert sind, nicht öffentlich einsehbar sind.
- Das zuständige Bezirksgericht entscheidet über solche Anträge im außerstreitigen Verfahren.
- Bei stattgegebenem Antrag wird eine bereinigte Fassung der Urkunde erstellt, während die Originalurkunde dauerhaft für die öffentliche Einsicht gesperrt bleibt.
- Einsicht in gesperrte Urkunden ist nur bei überwiegendem rechtlichen Interesse möglich.
Beschränkung der Aufnahme in die Urkundensammlung:
- Nur Urkunden, die Grundlage für bücherliche Eintragungen sind, werden in die Urkundensammlung aufgenommen.
- Dokumente wie Pass- oder Personalausweisdaten sowie Staatsbürgerschaftsnachweise sind davon ausgeschlossen.
Diese Neuerungen sind im Herbst in Kraft getreten. Sie stärken den Datenschutz im Grundbuch, indem sie bestimmte personenbezogene Daten besser vor öffentlicher Einsicht schützen.
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