Patienten übernehmen in den letzten Jahren zunehmend Verantwortung für ihre eigene Gesundheit und hinterfragen ärztliche Behandlungsmethoden. Gleichzeitig möchten Patienten wissen, welche Gesundheitsdaten wo gespeichert sind und ärztliche Leistungen gegebenenfalls rechtlich überprüfen lassen. In solchen Fällen sind sowohl das Datenschutzrecht als auch das ärztliche Berufsrecht einschlägig. Der deutsche BGH legte zur Frage, ob ein Patient gemäß DSGVO Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie der Patientenakte habe, wenn er damit eigentlich datenschutzfremde Zwecke (Arzthaftungsanspruch) verfolgen möchte, dem EuGH zur Prüfung vor.
Hintergrund des Gerichtsverfahrens
Ein Patient bittet seine Zahnärztin um eine Kopie seiner Patientenakte, da er beabsichtigt, rechtliche Schritte aufgrund von mutmaßlichen Fehlern während seiner zahnärztlichen Behandlung einzuleiten. Die Zahnärztin hingegen verlangt, gemäß den Vorschriften des deutschen Rechts, dass er die Kosten für die Bereitstellung der Kopie der Patientenakte übernimmt.
Da der Patient davon überzeugt ist, dass er Anspruch auf eine kostenfreie Kopie hat, wendet er sich an die deutschen Gerichte. In dieser Situation hat der deutsche Bundesgerichtshof beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dies geschieht, weil der Bundesgerichtshof der Meinung ist, dass die Lösung des Rechtsstreits von der Auslegung der Vorschriften des Unionsrechts, insbesondere der DSGVO, abhängt.
BGH an EuGH: Hat ein Patient Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie der Patientenakte?
Zunächst stellt der EuGH fest, dass die DSGVO das Recht der betroffenen Person (hier: des Patienten verankert), eine erste Kopie seiner Daten (hier: seiner Patientenakte) zu erhalten, und zwar grundsätzlich ohne Kosten für ihn. Der Verantwortliche darf nur dann Kosten für die Datenkopie verlangen, wenn der Patient bereits eine erste unentgeltliche Kopie der Patientenakte erhalten hat und erneut eine Anfrage stellt (Art 15 Abs 3 DSGVO).
Die betreffende Zahnärztin ist also Verantwortliche für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Patienten. Als solche ist sie verpflichtet, dem Patienten eine erste Kopie seiner Daten ohne Kosten zur Verfügung zu stellen. Der Patient ist nicht verpflichtet, seinen Antrag auf eine unentgeltliche Kopie der Patientenakte zu begründen.
Der EuGH hielt letztlich fest, dass auch dann, wenn andere Interessen als das Datenschutzrecht selbst Hintergrund einer solchen Anfrage sind, nationale Vorschriften dem Patienten nicht die Kosten für eine erste Datenkopie auferlegen darf. Darüber hinaus hat der Patient das Recht, eine vollständige Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in seiner Patientenakte befinden, wenn dies zur Verständnis der darin enthaltenen personenbezogenen Daten erforderlich ist. Dies schließt Daten aus der Patientenakte ein, wie Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Informationen zu Behandlungen oder Eingriffen.
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Quellen:
Volltext der EuGH-Entscheidung C-377/22
Zusammenfassung der EuGH-Entscheidung C-377/22
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