Judikaturupdate aus Deutschland: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung mit dem Personenbezug bei E-Mails und Gesprächsprotokollen im Zusammenhang mit dem Recht auf Auskunft (Art 15 DSGVO) auseinandergesetzt. Insbesondere steht infrage, ob ein Betroffener eine Datenkopie solcher Daten verlangen kann.
Anlassfall: Kundin verlangt Datenkopie
Im zugrundeliegenden Fall forderte eine Kundin von ihrem Finanzberater die Herausgabe von Kopien aller personenbezogenen Daten, die über sie gespeichert waren, einschließlich E-Mails, Briefen, Telefonnotizen und Aktenvermerken. Der Finanzberater hatte zunächst nur eine Auflistung der gespeicherten Informationen übermittelt, jedoch keine physischen Kopien der Dokumente bereitgestellt. Dies führte zu rechtlichen Auseinandersetzungen, die letztlich vor dem BGH endeten.
Entscheidung des BGH zu Personenbezug bei E-Mails und Gesprächsprotokollen
Der BGH hält zunächst fest, dass personenbezogene Daten alle Informationen, die direkt oder indirekt, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, einer Kennnummer, Standortdaten oder Online-Kennungen, eine natürliche Person identifizierbar machen. Das Recht auf Datenkopie gebe der Klägerin in diesem Fall das Recht, Kopien der von ihr verfassten E-Mails zu erhalten (Art 15 Abs 3 DSGVO). Schreiben eines Betroffenen an den Verantwortlichen werden vom Gericht als stets personenbezogen eingestuft.
Anders sieht es der BGH bei anderen Daten, die beim Verantwortlichen vorhanden sind, die sich potentiell auf den Betroffenen beziehen. Das Gericht führt hierzu aus:
"Demgegenüber handelt es sich [...] weder bei Schreiben und E-Mails der Beklagten, noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen der Beklagten und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie Informationen über die Klägerin enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die Klägerin enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, kein Anspruch der Klägerin darauf, dass - wie von ihr gefordert - alle diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen sind. Zwar kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken unabhängig vom Erfordernis, eine vollständige Auskunft zu erteilen, dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 41, 45; vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; Senatsurteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 51 ff.). Die Klägerin hat aber weder in den Vorinstanzen dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie der geforderten Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails und Briefe der Beklagten sowie Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen nötig wäre."
Einschränkung des Rechts auf Datenkopie
Der BGH schränkt mit dieser Sicht das Recht auf Datenkopie überraschend stark ein. Er nimmt auch klar personenbezogene Daten vom Recht auf Datenkopie aus. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung auch langfristig Auswirkungen auf die Rechtsprechung hat. Ebenfalls wird spannend, ob sich die Datenschutzbehörde in Österreich oder österreichische Gerichte an dieser Entscheidung orientieren.
In Österreich wird am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Kopie im Sinne des Art 15 Abs 3 DSGVO unterschiedlich interpretiert: Während ein Senat (BVwG W214 2224106-1) davon ausgeht, dass hiermit eine Kopie im Sinne eines Abzugs aller Dokumente, die Daten mit Personenbezug enthalten, gemeint ist, geht ein anderer Senat (BVwG W256 2226269-1) davon aus, dass lediglich eine Auskunft (im Sinne eines Datenbankausdrucks) der verarbeiteten personenbezogenen Daten gemeint ist. Bevor Auskunft erteilt wird, sollte die aktuelle Rechtslage genau untersucht werden. Die österreichischen Entscheidungen sind vor der Entscheidung des EuGH zu diesem Thema ergangen. Der EuGH hat sich auch im Kontext von Patientendaten für eine eher weite Auslegung des Wortes Kopie entschieden. Vor diesem Hintergrund ist die Auslegung des BGH umso überraschender.
Sie haben weitere Fragen im Datenschutzrecht?
Sie haben weitere Fragen zum diesem Thema oder wollen sich in anderen Bereichen des Datenschutzrechts durch einen Rechtsanwalt beraten lassen? Als Rechtsanwälte sind wir auf dieses und weitere Rechtsgebiete spezialisiert. Melden Sie sich gerne bei unserer Kanzlei unter office@geuer.at oder telefonisch unter +43-1-4380072. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.
Quellen:
- Urteil des BGH VI ZR 330/21
- Erkenntnis des BVwG W214 2224106-1
- Erkenntnis des BVwG W256 2226269-1